Das Reisekostenrecht von 2014 ist verfassungsgemäß. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt in fünf Urteilen bestätigt. Dabei ging es unter anderem um die Definition der ersten Tätigkeitsstätte (Az.: VI R 27/17, VI R 40/16, VI R 12/17, VI R 36/16 und VI R 36/16).
Das Reisekostenrecht enthält seit seiner Reform zum 1. Januar 2014 erstmals die gesetzliche Definition der sogenannten "ersten Tätigkeitsstätte". Diese trat an die Stelle der bisherigen "regelmäßigen Arbeitsstätte". Der Begriff ist von zentraler Bedeutung, da er beispielsweise für den Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug oder auch für steuerfreie Erstattungen des Arbeitgebers entscheidend ist. Die erste Tätigkeitsstätte entscheidet darüber, ob Fahrtkosten als Reisekosten gelten oder als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz der Entfernungspauschale unterliegen.
Reisekosten oder Pendlerpauschale? Das richtet sich nach der ersten Tätigkeitsstätte
Steuerrechtlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme ist der Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort beziehungsweise der sogenannten ersten Tätigkeitsstätte, für den Werbungskosten nur in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 Euro je Entfernungskilometer entstehen. Das neue Reisekostenrecht bestimmt diese erste Tätigkeitsstelle anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber, während die vorherige Regelungen auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers abstellte.
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Auch Streifenpolizist hat eine erste Tätigkeitsstätte
In einem Streitfall (Az.: VI R 27/17) ging es um einen Polizisten, der in seiner Einkommensteuererklärung für 2015 Fahrtkosten von seiner Wohnung zur Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend gemacht hatte. Als Begründung führte er an, über keine erste Tätigkeitsstätte zu verfügen, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei und die Tätigkeiten in der Dienststelle sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes beschränken würden. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch lediglich Fahrtkosten in Höhe der Entfernungspauschale und strich die Mehraufwendungen für Verpflegung.
Der Bundesfinanzhof bestätigte dieses Entscheidung: Den Richtern zufolge ist nach neuem Recht entscheidend, "ob der Arbeitnehmer oder Beamte einer ersten Tätigkeitsstätte durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen sowie diese ausfüllende Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers (Dienstherrn) dauerhaft zugeordnet ist". Dafür sei ausreichend, dass der Arbeitnehmer oder Beamte am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Dies sei bei dem Streifenpolizisten angesichts von Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen der Fall. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung verneint der Bundesfinanzhof, da sich Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könnten.
Fliegendes Personal ist dem Flughafen zugeordnet
Ähnlich gelagert war der Fall einer Pilotin (Az.: VI R 40/16), die ebenfalls die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen wollte. Den Richtern zufolge hat fliegendes Personal, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, dort seine erste Tätigkeitsstätte.
Die Pilotin habe in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen. Vor diesem Hintergrund sei es unerheblich, dass sie überwiegend im internationalem Flugverkehr tätig sei. Zudem komme auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet wie Werksanlagen, Betriebsgelände oder eben ein Flughafen als großräumige erste Tätigkeitsstätte in Betracht. Daher verneinte der Bundesfinanzhof auch den Ansatz der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen bei einer Luftsicherheitskontrollkraft, die auf dem gesamten Flughafengelände eingesetzt wurde (Az.: VI R 12/17).
Befristete Arbeitsverhältnisse im Reisekostenrecht
Um befristete Arbeitsverhältnisse ging es in zwei weiteren Urteilen des BFH zum Reisekostenrecht: Den Richtern zufolge liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll. Wenn dann während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte erfolgt, ist diese keine erste Tätigkeitsstätte mehr, weshalb ab diesem Zeitpunkt die Fahrtkosten wieder nach Dienstreisegrundsätzen abgerechnet werden können (Az.: VI R 36/16). In einem weiteren Fall (Az.: VI R 36/16) muss das Finanzgericht für die Einordnung der Fahrtkosten zunächst prüfen, ob überhaupt ortsfeste Einrichtungen vorliegen und damit die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte möglich ist.
Erstellt von (Name) W.V.R. am 29.07.2019
Geändert: 20.12.2019 09:58:45
Autor:
Petra Hannen
Quelle:
BFH
Bild:
panthermedia.net / zagandesign
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