
Bei einem
formellen Buchführungsmangel ist das Finanzamt berechtigt, eine Schätzung des Gesamtumsatzes vorzunehmen, und ist dabei grundsätzlich in der
Wahl der Schätzungsmethode frei. Doch einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zufolge sind, auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit,
genauere Schätzmethoden ungenaueren
vorzuziehen. "In der Regel ist der
innere Betriebsvergleich im Verhältnis zum äußeren Betriebsvergleich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen", heißt es im Leitsatz 3 des BFH-Urteils vom 29.07.2025 (Az. X R 23-24/21).
Im konkreten Fall, der zuvor vor dem Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz verhandelt worden war, hatte ein Gastwirt bei der Übernahme eines
Gastronomiebetriebs eine elektronische Kasse übernommen. Diese Kasse gab als "Tagesabschlüsse" bezeichnete Belege aus, die zwar mit einem Datum versehen waren und eine Gesamtsumme auswiesen, aber nicht fortlaufend nummeriert waren. Es wurden auch keine Stornobuchungen aufgeführt, obwohl solche Buchungen im Kassensystem möglich waren. Zudem enthielten die Belege keine Angaben zur jeweiligen Zahlungsweise, zu der Uhrzeit, zu der sie gefertigt worden waren, und dazu, ob es sich um den einzigen Tagesabschluss handelte oder ob an dem betreffenden Tag mehrere Tagesabschlüsse erstellt worden waren.
Eine Prüferin des zuständigen Finanzamts (FA) wertete die Buchführung des Gastronomiebetriebs in den Jahren 2011 bis 2013 deshalb als mangelhaft. Für eine Schätzung des Umsatzes als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung griff sie auf die
amtliche Richtsatzsammlung zurück, wobei sie wegen der Besonderheiten des Betriebs vom ermittelten Wert einen
30%igen Abschlag einkalkulierte. Das FG kritisierte diese Vorgehensweise und kam in einer eigenen Schätzung auf einen höheren Betrag. Unter Berufung auf das sogenannte
Verböserungsverbot bestätigte das FG die Schätzung des FA der Höhe nach.
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Das BFH gab allerdings dem klagenden Gastwirt recht. So schreibt das Gericht im 4. Leitsatz des Urteils: "FA und FG müssen das Ergebnis ihrer
Schätzung nachvollziehbar begründen. Eine fehlende oder nicht nachvollziehbare Begründung kann zu einem sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils führen, der auch ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann". Laut BFH fehlt eine solche Begründung.
Wichtiger aber ist das Urteil im Hinblick auf die Schätzungsmethode. Zwar bestätigt der BFH, dass die Finanzbehörden "in der Wahl ihrer Schätzungsmethoden grundsätzlich frei" seien (2. Leitsatz). Doch er schränkt diese Freiheit mit Hinweis auf die Abgabenordnung (AO) ein: "Allerdings ergibt sich aus
§ 5 AO in Verbindung mit dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Wahlfreiheit des FA beziehungsweise des FG bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den allgemeinen für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dass dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen anzustellen sind" (Rn. 42 des Urteils).
Ein paar Randnummern weiter werden die Richter noch deutlicher: "Im Allgemeinen haftet dem
äußeren Betriebsvergleich ein
starkes Unsicherheitsmoment an, da kaum ein Betrieb dem anderen gleicht. Daher ist grundsätzlich ein innerer Betriebsvergleich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen" (Rn. 47 des Urteils). Gerade im konkreten Fall hätte der innere Betriebsvergleich ergeben, dass die Umsätze in den Jahren vor den Streitjahren 2011 bis 2013 wie auch in den Jahren ab 2014 vergleichbar waren mit den Umsätzen, die der Gastwirt für 2011 bis 2013 angegeben hatte. Ende 2016 schaffte der Gastwirt eine sogenannte "
fiskalische Kasse" an, die also den Anforderungen des Finanzamt entspricht. Diese Kasse zeigte im Verhältnis zu den Vorjahren keine höheren Umsätze und Gewinne.
Bereits mit seinem Urteil vom 18.06.2025 (Az. X R 19/21) hatte der BFH deutlich gemacht, dass aus Sicht der Richter
erhebliche Zweifel an der
Eignung der Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form als Grundlage für eine Schätzung bestehen.
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Erstellt von (Name) S.P. am 27.11.2025
Geändert: 27.11.2025 12:34:32
Autor:
S. P.
Quelle:
Bundesfinanzhof
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Andriy Popov
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