Sowohl Verbindlichkeiten als auch Rückstellungen sind Passivposten, die eine zukünftige Zahlungsverpflichtung abbilden, wobei Zeitpunkt und Höhe der Zahlung nur bei den Verbindlichkeiten konkret bekannt sind. Das Handelsrecht sieht daher den bilanziellen Ausweis mit dem Rückzahlungsbetrag vor (§ 253 Abs. 1 HGB). Da der Betrag bei Rückstellungen nicht bekannt ist, werden diese in der Höhe angesetzt, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nötig ist (§ 253 Abs. 1 HGB).
Bis 2010 war eine Abzinsung der Beträge handelsrechtlich nicht vorgesehen, da dies gegen das Realisationsprinzip verstoßen hätte, es sei denn, die zugrunde liegende Verbindlichkeit einer Rückstellung enthielt einen Zinsanteil. In diesem Fall durften Rückstellungen abgezinst werden (§ 253 Abs. 1 HGB). Ansonsten bestand ein Abzinsungsverbot.
Seit 2010 sind Verbindlichkeiten nicht mehr zu ihrem Rückzahlungsbetrag, sondern zum Erfüllungsbetrag anzusetzen. Bei der Ermittlung des Erfüllungsbetrags sind dabei etwaige Preis- und Kostenänderungen einzubeziehen. Preis- und Kostenänderungen lassen sich beispielsweise aus Branchentrends ableiten.
Nunmehr besteht gemäß § 253 Abs. 2 S. 1 HGB für Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr ein Abzinsungsgebot. Die Abzinsung erfolgt zum durchschnittlichen Marktzinssatz der letzten sieben Jahre unter Berücksichtigung der Restlaufzeit der einzelnen Rückstellungen (§ 253 II 4 HGB). Der Abzinsungssatz wird von der Deutschen Bundesbank monatlich veröffentlicht und liegt zwischen 4 und 6 %. Die aktuellen Zinssätze können Sie
Die Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, sind von der Abzinsung ausgenommen. Dies gilt nicht nur für kurzfristige Rückstellungen, sondern auch für langfristige Rückstellungen im letzten Jahr ihrer Laufzeit. Wie der abgezinste Rückstellungsbetrag buchhalterisch erfasst werden soll, lässt der Gesetzgeber offen. Nach herrschender Meinung sind zwei Möglichkeiten zur Ersterfassung von langfristigen Rückstellungen zugelassen.
Nach der Bruttomethode wird zunächst die Rückstellung in Höhe des gesamten geschätzten Erfüllungsbetrags aufwandswirksam im Betriebsergebnis erfasst. In einem zweiten Schritt wird der Erfüllungsbetrag abgezinst. Der daraus resultierende Zinsertrag wirkt sich im Finanzergebnis gewinnerhöhend aus und führt zu einem höheren Finanzergebnis bzw. einem niedrigeren operativen Ergebnis.
Bei der Nettomethode sind Rückstellungen nur abgezinst mit dem Barwert zu erfassen. Dabei bleibt das Finanzergebnis unverändert und das operative Ergebnis fällt höher als bei der Bruttomethode aus. Veränderungen durch den Zinsaufwand ergeben sich erst in den Folgejahren.
In der GuV sind Erträge und Aufwendungen aus der Auf- und Abzinsung gem. § 277 Abs. 5 HGB unter der Position „Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ bzw. „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ auszuweisen, getrennt von den übrigen Aufwendungen und Erträgen.
Die Verbindlichkeiten sind in der Handelsbilanz weiterhin mit Nennwert anzusetzen.
Steuerbilanz
Grundsätzlich gilt auch steuerrechtlich zunächst der Rückzahlungsbetrag als unterster Wertansatz einer Verbindlichkeit. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 schreibt jedoch ein Abzinsungsgebot für unverzinsliche Verbindlichkeiten und Rückstellungen vor.
Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG werden Verbindlichkeiten und auch Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag länger als 12 Monate beträgt, mit einem Satz von 5,5% abgezinst. In welcher Form der Abzinsungsbetrag ermittelt werden soll, wird nicht vorgeschrieben. Zulässig sind zwei verschiedene Verfahren: Der Wert kann einerseits mithilfe von finanz- oder versicherungsmathematischen Methoden errechnet werden, was allerdings recht zeit- und kostenintensiv ist. Andererseits ist auch die Ermittlung mithilfe des
Ausführlich lässt sich die Gesetzgebung zur Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen beim Bundesministerium der Finanzen nachlesen. Die Differenzen in den Wertansätzen der Handels- bzw. Steuerbilanz sind latente Steuern und werden nach § 274 S. 1 HGB zu berücksichtigt.
Jahr |
|
2011 |
|
2012 |
|
2013 |
|
2014 |
|
2015 |
|
2016 |
|
2017 |
|
2018 |
|
2019 |
|
2020 |
|
Summe |
Erfüllungsbetrag |
|
10.500 |
|
11.025 |
|
11.576 |
|
12.155 |
|
12.763 |
|
13.401 |
|
14.071 |
|
14.775 |
|
15.514 |
|
16.290 |
|
132.070 |
Jahr |
|
2011 |
|
2012 |
|
2013 |
|
2014 |
|
2015 |
|
2016 |
|
2017 |
|
2018 |
|
2019 |
|
2020 |
|
Summe |
Erfüllungsbetrag |
|
10.500 |
|
11.025 |
|
11.576 |
|
12.155 |
|
12.763 |
|
13.401 |
|
14.071 |
|
14.775 |
|
15.514 |
|
16.290 |
|
132.070 |
Barwert |
|
10.500 |
|
10.513 |
|
10.526 |
|
10.539 |
|
10.552 |
|
10.565 |
|
10.578 |
|
10.592 |
|
10.605 |
|
10.618 |
|
105.588 |
Sonstige betriebliche Aufwendungen 32.070 |
|
an |
|
Rückstellung für Gewährleistungen |
|
5.588 |
|
|
|
|
Zinserträge |
|
26.482 |
Sonstige betriebliche Aufwendungen 5.588 |
|
an |
|
Rückstellung für Gewährleistungen |
|
5.588 |
Handelsbilanz:
Aktiva |
|
EUR |
|
Passiva |
|
EUR |
Anlagevermögen |
|
200.000 |
|
Eigenkapital |
|
94.412 |
Umlaufvermögen |
|
200.000 |
|
Rückstellung für Gewährleistungen |
|
105.588 |
|
|
|
|
Verbindlichkeiten |
|
200.000 |
|
|
400.000 |
|
|
|
400.000 |
GuV:
GuV 01.01. bis 31.12.2010 |
|
Bruttomethode in EUR |
|
Nettomethode in EUR |
Umsatzerlöse |
|
110.000 |
|
110.000 |
... |
|
|
|
|
Sonstige betriebliche Aufwendungen |
|
32.070 |
|
15.588 |
... |
|
|
|
|
Betriebsergebnis |
|
67.930 |
|
94.412 |
Zinsertrag |
|
26.482 |
|
0 |
Jahresergebnis |
|
94.412 |
|
94.412 |
Der Rückstellungsansatz in der Steuerbilanz zum 31.12.2010 wird gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ermittelt und sieht wie folgt aus (mit einem Satz von 5,5%):
Jahr |
|
2011 |
|
2012 |
|
2013 |
|
2014 |
|
2015 |
|
2016 |
|
2017 |
|
2018 |
|
2019 |
|
2020 |
|
Summe |
Verpflichtung |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
10.000 |
|
100.000 |
Barwert |
|
10.000 |
|
9.479 |
|
8.985 |
|
8.516 |
|
8.072 |
|
7.651 |
|
7.252 |
|
6.874 |
|
6.516 |
|
6.176 |
|
79.521 |
K0 =Kn x 1 / (1+i)n
2011: K = 10.000 / (1+0,055)0 = 10.000 €
2012: K = 10.000 / (1+0,055)1 = 9.479 €
usw.
Quellen:
Müller/Schmidt/Wulf: Bilanztraining, 11. Aufl., Freiburg 2008.
Bundesministerium der Finanzen: Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen in der steuerlichen Gewinnermittlung, Zugriff: Mai 2009
letzte Änderung Enrico Reimus, Wolff von Rechenberg, Alexander Wildt am 09.09.2019 |
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08.02.2012 17:17:36 - Gast
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