Rückzahlung von Corona-Soforthilfen: Hintergründe und neue Regelungen

Stefan Parsch
Als es im März 2020 zum ersten Lockdown wegen der Corona-Pandemie kam, waren viele Kleinunternehmer, Soloselbstständige und Freiberufler froh, als die Regierung ihnen schnell Soforthilfen in Höhe von bis zu 9.000 € (bis fünf Beschäftigte) bzw. 15.000 € (bis zehn Beschäftigte) anbot. Im Sommer 2021 folgte dann für viele Begünstigte ein böses Erwachen, als sie nach ihrer Schlussabrechnung aufgefordert wurden, die ganze Summe oder einen Teil zurückzuzahlen.

Aufregung über Rückzahlungsforderungen

Mit einem finanziellen Hilfspaket, das der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mit einer "Bazooka" verglich, sollte vom Lockdown betroffenen Unternehmen schnell und unbürokratisch geholfen werden. Von einem "nicht rückzahlbaren Zuschuss" war damals die Rede. Doch schon im Eckpunktepapier "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige" vom 23.03.2020 heißt es bei der Angabe des Ziels: "Zuschuss zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Antragsteller und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen, u. a. durch laufende Betriebskosten, wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u. Ä."

Als die Soforthilfen Ende März 2020 beantragt werden konnten, war also eigentlich schon klar, dass diese Gelder nur für bestimmte Betriebskosten verwendet werden durften. Aber womöglich wurde das nicht in jedem Bundesland klar kommuniziert. Das zumindest betonte Ingrid Hartges, Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA, im Januar 2022 gegenüber der "WirtschaftsWoche". Und Andreas Lutz, Vorstand des Verbandes Gründer und Selbständige Deutschland (VGSD) beklagte im Dezember 2021 gegenüber "tagesschau.de", "dass zunächst von der Politik der Eindruck erweckt wurde, die Hilfen dürften auch für den Lebensunterhalt verwendet werden. Viele Betroffene erfahren erst jetzt, dass dies nicht der Fall war."

Mehrere Unternehmensverbände bemängelten zudem den Zeitpunkt der Rückzahlungsaufforderung. Denn im Herbst 2021 seien viele Kleinunternehmer und Selbstständige pandemiebedingt noch immer in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. In der Antwort vom 20.12.2021 auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema „Rückforderung von Soforthilfen“ bezifferte das Bundeswirtschaftsministerium die freiwilligen Rückzahlungen auf 1,08 Milliarden €, die Rückzahlungen nach Rückforderungen auf 466 Millionen € (Stand: 30.09.2021). Insgesamt waren rund 13,5 Milliarden € an Soforthilfen ausgezahlt worden.

Reaktionen des Wirtschaftsministeriums und der Bundesländer

Die Mittel für die Corona-Soforthilfen kamen zwar vom Bund, aber die Auszahlung und die Abrechnung mit den Unternehmern erfolgte und erfolgt durch die Bundesländer. Deshalb kann Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Wirtschaftsministerien der Länder nur darum bitten, bei den Rückforderungen kulant zu sein gegenüber Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. Dies hat er in zwei Schreiben im Dezember und im Januar getan.

Zudem hat sich Habeck mit Bundesfinanzminister Christian Lindner darauf verständigt, den Termin für die Schlussberichte der Länder zu den Soforthilfen vom 30.06.2022 auf Ende 2022 zu verschieben. In diesen Berichten müssen die Bundesländer die Bundesregierung detailliert über die Soforthilfen informieren. Durch die Terminverschiebung haben die Länder nun ein halbes Jahr mehr Zeit für die Schlussberichte und könnten ihrerseits die Zahlungsfristen für die Unternehmer verlängern.

Die Bundesländer handhaben dies jedoch unterschiedlich. So gibt die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) Mitte Februar als spätestens Rückzahlungstermin der verlängerten Frist den 18.03.2022 an. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) schreibt auf ihrer Internetseite, dass alle Rückforderungsbescheide ab Mitte Januar automatisch mit sechs Monate längeren Rückzahlungsfristen versehen würden. Die Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank) teilt sogar mit, dass die Rückzahlungsfristen für die Soforthilfen pauschal bis zum 31.10.2022 verlängert worden seien.

Rechtliche Grundlagen der Soforthilfen

Grundsätzlich verbietet Art. 107 Abs. 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) jede Art von staatlichen Subventionen, im EU-Jargon "Beihilfen" genannt. Allerdings bestimmen die weiteren Absätze des Artikels Ausnahmen von dieser Regel. Die "Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020" als Grundlage für die Corona-Soforthilfen bezieht sich konkret auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV, nämlich Beihilfen „zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“.

Die EU-Staaten können neue Beihilfen nicht ohne Zustimmung der EU-Kommission gewähren. Nach der Notifizierung am 19.03.2020 wurde die "Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020" am 24.03.2020 von der EU-Kommission genehmigt – wenn Eile geboten ist, kann die Kommission also auch sehr schnell tätig werden.

Im oben erwähnten Eckpunktepapier vom 23.03.2020 steht die "Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen" in Mittelpunkt, anschließend werden beispielhaft Betriebsausgaben aufgeführt. Nicht aufgeführt sind dabei Personalkosten, denn für sie war ja das Kurzarbeitergeld vorgesehen. Für die Unternehmer und Selbstständigen bedeutet dies, dass die Soforthilfen nicht als fiktiven Unternehmerlohn oder für den eigenen Lebensunterhalt verwendet werden dürfen (Ausnahmen: Baden-Württemberg gewährte einen Pauschalbetrag für den Lebensunterhalt von 1.180 €, Nordrhein-Westfalen sogar von 2.000 €).

Das war jedoch vielen Antragstellern offenbar nicht klar; der Irrtum offenbarte sich aber meist erst bei der Schlussabrechnung mit der Landesbank, wenn diese Verwendungsnachweise forderte. Andere Gründe für eine Rückzahlung sind
  • eine Überkompensation, wenn beispielsweise der Unternehmer mehrere Anträge gestellt und bewilligt bekommen hat oder er Versicherungszahlungen wegen der Umsatzeinbußen erhalten hat,
  • eine bessere wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens oder der unternehmerischen Tätigkeit als bei Antragstellung angenommen wurde; denn nur wenn die Betriebsausgaben die Betriebseinnahmen übersteigen, liegt ein Liquiditätsengpass im Sinne der Corona-Soforthilfen vor.

Rechtmäßig erhaltene Soforthilfen müssen als Betriebseinnahmen versteuert werden. Bewusst falsche Angaben im Antrag werden als Subventionsbetrug strafrechtlich verfolgt.

Pfändung der Corona-Soforthilfe durch Finanzamt unzulässig

Ein wichtiges Urteil zur Bewertung der Corona-Soforthilfe hat der Bundesfinanzhof (BFH) am 09.07.2020 (Az. VII S 23/20 (AdV)) gefällt. Im zugrunde liegenden Fall schuldete ein Unternehmer, der einen Hausmeisterservice betreibt, dem Finanzamt mehr als 9.000 € Umsatzsteuer aus dem Jahr 2015. Deshalb hatte das Finanzamt 2019 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen. Mit Verweis auf diese Verfügung weigerte sich die Bank des Unternehmers, ihm den Betrag auszuzahlen. Der Unternehmer wandte sich an das Finanzgericht Münster und bekam recht: Die Corona-Soforthilfen seien zweckgebunden und dem Unternehmer daher auszuzahlen.

Das Finanzamt wiederum wollte erreichen, dass die Vollziehung des Beschlusses des Finanzgerichts Münster vom 08.06.2020 (Az. 11 V 1541/20 AO) ausgesetzt wird. Der BFH aber urteilte, dass der Beschluss des Finanzgerichts nicht zu beanstanden sei und stellte seinem Beschluss diesen Leitsatz voraus: "Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich aufgrund ihrer Zweckbindung um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 399 Alternative 1 BGB regelmäßig nicht pfändbare Forderung" (ZPO – Zivilprozessordnung, BGB – Bürgerliches Gesetzbuch).

Auch ein weiterer Satz im Beschluss ist ganz klar: "Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung."

Alternatives Angebot für Soloselbstständige und Ausblick

Weil manche Selbstständige, etwa Schauspieler, Musiker, Lektoren oder Coaches, kaum feste Betriebsausgaben haben, konnten sie von den Soforthilfen und den anschließend mehrfach aufgelegten Überbrückungshilfen nicht profitieren. Für diese Unternehmergruppe hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr die "Neustarthilfen" aufgelegt.

Zwar werden auch diese als "Betriebskostenpauschalen" bezeichnet, doch werden für die Bewilligung nur die Umsätze im Förderzeitraum im Verhältnis zu einem Vergleichszeitraum 2019 herangezogen. Hier kommen also Umsatzeinbußen zum Tragen und die Verwendung ist nicht auf nachzuweisende Betriebskosten beschränkt.

Auf die Neustarthilfe für Januar bis Juni 2021 folgte die Neustarthilfe Plus für Juli bis September 2021. Gerade hat die Bundesregierung die Neustarthilfe 2022 für Januar bis März 2022 aufgelegt. Die Antragsfrist für Erstanträge endet am 30.04.2022.

Als Nächstes steht die Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfen I bis III sowie November- und Dezemberhilfen an. Denn die Anträge beruhten in der Regel auf Prognosen von Umsätzen und Kosten. "Nach Vorliegen der realisierten Umsatzzahlen und Fixkostenabrechnungen sind alle Antragstellenden zur Einreichung einer Schlussabrechnung über einen prüfenden Dritten verpflichtet", heißt es auf der Internetseite "ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de" (s. Webtipps) der Bundesministerien für Finanzen und für Wirtschaft und Klimaschutz. Die Abrechnung der Programme muss bis spätestens 31.12.2022 erfolgen. Es bleibt abzuwarten, ob dies ohne größere Überraschungen für die Unternehmen über die Bühne geht.



letzte Änderung S.P. am 06.04.2023
Autor(en):  Stefan Parsch


Autor:in
Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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