
Für mittelgroße deutsche Online-Händler wird sich zum 01.07.2021 einiges ändern: Die
Lieferschwelle für Verkäufe an Privatpersonen in anderen EU-Staaten sinkt auf 10.000 €, während bisher in den meisten EU-Ländern eine Schwelle von 35.000 € gilt. Nun müssen viele, die ihre Umsatzsteuer bisher ans deutsche Finanzamt gezahlt haben, die Steuer in den Ländern ihrer Kunden entrichten. Damit dies nicht zu aufwendig wird, richtet das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einen „
One-Stop-Shop“ ein, auf Deutsch auch „einzige Anlaufstelle“ genannt.
Funktionsweise des künftigen One-Stop-Shops
Der geplante One-Stop-Shop beim BZSt soll zu einer Art Vertretung der Finanzämter anderer EU-Staaten in Deutschland werden. Der steuerpflichtige Online-Händler gibt in einer elektronischen Steuererklärung beim One-Stop-Shop an, welchen Umsatz er mit Verkäufen an private Kunden in welchen Ländern erzielt hat. Anschließend zahlt er die selbst berechneten Steuern – nach den aktuellen Umsatzsteuersätzen in den Ländern seiner Kunden – an das BZSt. Dieses rechnet mit der Finanzverwaltung der übrigen EU-Staaten ab und überweist die jeweils fälligen Steuerbeträge.
Ganz neu ist das Verfahren nicht: Für elektronisch erbrachte Dienstleistungen (z. B. Bereitstellung von Informationen, Software, Filmen, Musik, Spielen, Webhosting, Fernwartung) sowie Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen existiert bereits der „
Mini-One-Stop-Shop“ des BZSt .
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Das „besondere Besteuerungsverfahren“ über den Mini-One-Stop-Shop kann nur einheitlich für alle EU-Staaten, in denen der entsprechende Unternehmer keinen Sitz und keine Betriebsstätte hat, in Anspruch genommen werden (§ 18h Abs. 1 Satz 2 UStG – Umsatzsteuergesetz).
Veränderungen gegenüber der aktuellen Regelung
Bisher müssen sich Online-Händler und alle anderen Unternehmer, die in anderen EU-Staaten Dienstleistungen erbringen oder dorthin Waren verkaufen, beim Überschreiten der jeweiligen Lieferschwelle bei den Finanzbehörden in jedem Land, in dem sie Kunden haben, registrieren lassen. Dort müssen sie auch nach den jeweiligen Regeln des Landes und teilweise ausschließlich in der Landessprache ihre Umsatzsteuererklärung machen und die Steuern zahlen. Es gilt jeweils die Lieferschwelle im Land des Kunden (Art. 34 MwStSystRL – Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie); in vielen EU-Staaten liegt sie bei 35.000 € netto.
Diese nationalen
Lieferschwellen fallen zum 01.07.2021 weg; stattdessen wird die EU-weit
einheitliche Lieferschwelle von 10.000 € gelten (Art. 59c Abs. 1c MwStSystRL). Bleibt ein Unternehmen in allen EU-Staaten, in denen er Waren verkauft oder Dienstleistungen erbringt, unter der Lieferschwelle, kann er nach wie vor im eigenen Land die Umsatzsteuer erklären und entrichten. In allen anderen Fällen dürfte es sinnvoll sein, den One-Stop-Shop in Anspruch zu nehmen.
Der Hintergrund dieser Regelungen ist die EU-Mehrwertsteuerreform (die Mehrwertsteuer ist eine Form der Umsatzsteuer). Mit dieser Reform soll das Bestimmungslandprinzip auch für diejenigen Verkäufe und Dienstleistungen umgesetzt werden, bei denen Privatpersonen die Kunden sind (Business-to-Consumer, B2C). Die Umsatzsteuer wird dann im Land der Bestimmung (einer Lieferung, einer Dienstleistung) erhoben, wie es auch im Bereich des Handels mit Unternehmen (Business-to-Business, B2B) über Binnengrenzen der EU hinweg der Fall ist.
Umsetzung des EU-Rechts im Jahressteuergesetz 2020
Ursprünglich sollten die neuen Regelungen im B2C-Handel bereits zum 01.01.2021 eingeführt werden. Doch mehrere Staaten, darunter Deutschland, plädierten für eine Verschiebung, wegen Problemen bei der technischen Umsetzung des One-Stop-Shops. Offiziell begründet wurde die Verschiebung in einer Mitteilung der EU-Kommission vom 11.05.2020 mit den „Schwierigkeiten, mit denen Unternehmen und Mitgliedstaaten derzeit aufgrund der Corona-Krise konfrontiert sind“.
Immerhin hat der deutsche Gesetzgeber inzwischen den rechtlichen Rahmen für die Mehrwertsteuerreform im Online-/Versandhandel (auch „VAT
E-Commerce Package“ genannt) geschaffen: Im Jahressteuergesetz (JStG) wurden verschiedene Paragrafen des Umsatzsteuergesetzes entsprechend geändert. So legt der neue § 3c UStG (Art. 14 Nr. 4 JStG) den Ort der Lieferung beim Fernverkauf (wie der Online-/Versandhandel im Gesetz genannt wird) auf den Ort fest, an dem sich ein Gegenstand am Ende der Versendung befindet, also beim Kunden.
Der neue § 18j UStG (Art. 13 Nr. 2 JStG) regelt das „besondere Besteuerungsverfahren“, das über den One-Stop-Shop laufen soll. In Absatz 1 wird auf die Regelung in Art. 369a ff. MwStSystRL verwiesen; dort ist das Besteuerungsverfahren für elektronische Dienstleistungen beschrieben, für das der Mini-One-Stop-Shop eingerichtet wurde. Der einzurichtende One-Stop-Shop wird also dieselbe EU-rechtliche Grundlage wie der schon existierende Mini-One-Stop-Shop haben.
Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren
Um den One-Stop-Shop und das besondere Besteuerungsverfahren nutzen zu können, müssen sich Unternehmer beim BZSt vor dem Besteuerungszeitraum registrieren lassen, in dem das Besteuerungsverfahren erstmals gelten soll (§ 18j Abs. 1 Satz 3 UStG (neu) – Art. 13 Nr. 2 JStG). Der Besteuerungszeitraum bei diesem Verfahren ist das Kalendervierteljahr (§ 16 Abs. 1d Satz 1 UStG (neu) – Art. 14 Nr. 10 JStG). Die Anmeldung soll ab April 2021 auf den Internetseiten des BZSt möglich sein, „nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung“ (§ 18j Abs. 1 Satz 2 UStG (neu) – Art. 13 Nr. 2 JStG).
Elektronisch muss auch die Steuererklärung erfolgen. Gegenüber dem Verfahren mit dem Mini-One-Stop-Shop ist die Frist dafür etwas großzügiger: War die Steuer bisher spätestens am 20. Tag nach dem Ende des Besteuerungszeitraums zu erklären und zu überweisen, so kann dies jetzt bis zum Ende des Monats nach dem Ende des Besteuerungszeitraums geschehen (§ 18j Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 UStG (neu) – Art. 13 Nr. 2 JStG). Eine weitere Verbesserung ist, dass eine Fehlerkorrektur zu einer früheren Steuererklärung auch einfach mit der nächsten Steuererklärung möglich ist (§ 18j Abs. 4 Satz 5 UStG (neu) – Art. 13 Nr. 2 JStG).
Die Finanzbehörden sehen das besondere Besteuerungsverfahren und den One-Stop-Shop als Entgegenkommen gegenüber dem Steuerpflichtigen an. Dafür erwarten sie, dass die teilnehmenden Unternehmer sich an die Regeln halten, dass sie insbesondere die Steuern fristgemäß erklären und entrichten sowie ihren Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 1 UStG und Art. 369k MwStSystRL nachkommen. Bei wiederholten Verstößen gegen diese Vorgaben kann die Finanzverwaltung Unternehmen vom besonderen Besteuerungsverfahren ausschließen (§ 18j Abs. 6 Satz 1 UStG (neu) – Art. 13 Nr. 2 JStG).
Im Übrigen werden nicht alle Online-Händler den One-Stop-Shop nutzen können. Wer beispielsweise seine Waren über den Amazon Marketplace anbietet und den Versand der Waren Amazon überträgt (Fulfillment by Amazon, FBA), dessen Waren werden oft über Fulfillment-Centern in anderen EU-Staaten versendet. Solche Geschäftsabläufe sind vom besonderen Besteuerungsverfahren bisher nicht abgedeckt. Gleiches gilt für sogenanntes „Dropshipping“, bei dem der Online-Händler Produkte über seinen Shop anbietet, die er selbst nicht auf Lager hat, sondern nach der Bestellung eines Kunden vom Hersteller oder von einem Großhändler direkt an den Kunden verschicken lässt.
Ausblick
Bisher (Mitte Februar) gibt es auf den Internetseiten des BZSt noch keine Informationen über den neuen One-Stop-Shop. Parallel soll zudem ein
Import-One-Stop-Shop für Waren aus Nicht-EU-Staaten aufgebaut werden. Branchenkenner mutmaßen, dass der One-Stop-Shop für den E-Commerce nicht bis zum 01.07.2021 zur Verfügung stehen wird. Auf jeden Fall sollten alle, für die das besondere Besteuerungsverfahren in Frage kommt, gelegentlich nach aktuellen Nachrichten zu diesem Thema suchen.
letzte Änderung S.P.
am 13.11.2023
Autor(en):
Stefan Parsch
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Andriy Popov
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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