Der Staat unterstützt Start-ups, Selbstständige, Freiberufler und kleine Unternehmen durch eine besondere Maßnahme: Er verzichtet in der „
Kleinunternehmerregelung“ (§ 19 UStG) auf die Erhebung der Umsatzsteuer. Dies entlastet die Unternehmen in der Buchführung und ermöglicht ihnen günstige Preise für angebotene Waren oder Dienstleistungen. Zu beachten sind dabei zum einen die Obergrenzen für den Umsatz im Vorjahr und den voraussichtlichen Umsatz im aktuellen Jahr. Zum anderen kann es für einen Kleinunternehmer sinnvoll sein, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, selbst wenn die Umsatzgrenzen nicht erreicht werden.
Auslegung der Umsatzgrenzen
Wer die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen möchte, muss beide Umsatzgrenzen einhalten: Er oder sie darf
im Vorjahr einen Umsatz von maximal 22.000 Euro (bis 2019: 17.500 Euro) erzielt haben und muss gleichzeitig davon ausgehen, dass er oder sie
im aktuellen Jahr nicht mehr als 50.000 Euro Umsatz machen wird (§ 19 Abs. 1 UStG). Die Umsatzprognose ergibt sich beispielsweise aus einem Businessplan, aus dem Trend der vergangenen Monate oder aus längerfristigen Aufträgen. Im Zweifelsfall muss der Unternehmer dem Finanzamt erklären können, wie er auf die Umsatzprognose für das aktuelle Jahr gekommen ist.
Wenn aber nicht absehbar war, dass ein höherer Umsatz als 50.000 Euro im aktuellen Jahr erzielt wird, dann kann die Kleinunternehmerregelung auch bei einem höheren Umsatz angewendet werden – vorausgesetzt, die Umsatzgrenze im Vorjahr wurde eingehalten. Ein Beispiel: Eine Unternehmerin erzielt im Jahr 2020 einen Umsatz von 21.500 Euro, im Jahr 2021 sind es jedoch 55.000 Euro. In diesem Fall kann die Kleinunternehmerregelung auf das Jahr 2021 angewendet werden. Im Jahr 2022 erfolgt dann jedoch die Regelbesteuerung (also mit Umsatzsteuer), da im Vorjahr (2021) die Umsatzgrenze von 22.000 Euro überschritten wurde.
Details dazu und zur Regelung für Unternehmensgründungen im Laufe eines Jahres beschreibt der Artikel
"Kleinunternehmerregelung: Umsatz nach § 19 UStG berechnen".
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Hinweis: Die neue Umsatzgrenze von 22.000 Euro für das Vorjahr ist im Bürokratieentlastungsgesetz III (BEG III) geregelt. Obwohl dieses Gesetz erst zum 01.01.2020 in Kraft getreten ist, gilt die Umsatzgrenze auch für die Umsätze im Jahr 2019. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie begründet die Regelung damit, dass sich die Umsatzgrenze jeweils auf das Vorjahr bezieht (siehe: https://www.existenzgruender.de/DE/Gruendung-vorbereiten/Gruendungswissen/Steuern/Kleinunternehmerre....
Die Umsatzgrenzen beziehen sich auf die gesamten Einnahmen eines Unternehmers. Allerdings kennt das Gesetz auch einige Ausnahmen, z. B. Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 19 Abs. 1 UStG) und verschiedene steuerfreie Umsätze (§ 19 Abs. 3 UStG), die vom Umsatz abgezogen werden können.
Vorteile und Nachteile der Kleinunternehmerregelung
Die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) entlastet die Unternehmer insbesondere bei der Buchhaltung. So muss bei der Rechnungstellung gegenüber Kunden
keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden und es muss dementsprechend keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden. Die Umsatzsteuervoranmeldungen, die neue Unternehmen zwei Jahre lang monatlich vornehmen müssen, entfallen. Außerdem genügt auch für die Einkommensteuererklärung eine einfache
Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR). Ohne Umsatzsteuer können Waren und Dienstleistungen mit einem für den Kunden niedrigeren Endpreis als mit Umsatzsteuer angeboten werden.
Die Kleinunternehmerregelung kann aber auch Nachteile bringen. Denn beim Einkauf von Waren muss der Unternehmer die darauf erhobene Umsatz-/Mehrwertsteuer bezahlen, kann sie aber nicht als Vorsteuer (§ 15 UStG) vom Finanzamt erstattet bekommen oder mit der eingenommenen Umsatzsteuer verrechnen. Auch für einen Dienstleister kann die Regelung von Nachteil sein, wenn etwa zu Beginn der Tätigkeit viele Anschaffungen (Rechner, Büroausstattung) zu finanzieren sind, für die er jeweils Umsatz-/Mehrwertsteuer bezahlen muss.
Vorausgesetzt, die Umsatzgrenzen werden eingehalten, dann lohnt sich die Kleinunternehmerregelung vor allem für diejenigen,
- die wenig Ausgaben haben,
- die hauptsächlich Privatpersonen, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Vereine als Kunden haben und/oder
- die auf absehbare Zeit keine höheren Umsätze als 22.000 Euro pro Jahr erzielen werden, weil sie beispielsweise ihre unternehmerische Tätigkeit nebenberuflich ausüben.
Die Regelung lohnt sich
nicht für diejenigen,
- die beim Unternehmensstart oder dauerhaft hohe Kosten haben,
- die hauptsächlich Unternehmen als Kunden haben (bei denen „Kleinunternehmer“ als „unprofessionell“ betrachtet werden könnten) und/oder
- die expandieren möchten und ihren Kunden beim Übergang von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung nach § 1 UStG erklären müssten, weshalb sie ihre (End-)Preise erhöhen,
- die regelmäßig Dienstleistungen im EU-Ausland anbieten (s. "Kleinunternehmerregelung bei EU-Geschäften").
Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung
Wenn sich die Regelung nicht lohnt, besteht die Möglichkeit,
freiwillig darauf zu verzichten (§ 19 Abs. 2 UStG). Gewerbetreibende können dies im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung (
https://www.formulare-bfinv.de/) mitteilen. Freiberufler können es formlos dem Finanzamt mitteilen.
Zu beachten ist, dass ein solcher Verzicht Folgen hat: Wer einmal freiwillig auf die Regelung verzichtet hat, ist in den folgenden fünf Jahren an diese Entscheidung gebunden (§ 19 Abs. 2 UStG). Erst danach kann er auf Antrag zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren, wenn die Umsatzgrenzen eingehalten werden.
Wechsel zwischen Regelbesteuerung und Kleinunternehmerregelung
Unternehmer, die mal mehr und mal weniger Umsatz als 22.000 Euro im Jahr machen, können immer wieder zwischen den Besteuerungsformen wechseln. Wenn die Umsatzgrenzen eingehalten werden, greift die Kleinunternehmerregelung, anderenfalls die Regelbesteuerung mit Umsatzsteuer (§ 1 UStG). Wenn nicht freiwillig auf die Anwendung der Regelung verzichtet wird, gilt auch nicht die
Fünf-Jahres-Frist (siehe oben). Allerdings dürfte es sich in der Praxis als schwierig erweisen, in den Rechnungen in manchen Jahren die Umsatzsteuer auszuweisen, in anderen hingegen nicht.
Wer von der
Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung wechselt, muss beachten, dass die Vorjahresumsatzgrenze von 22.000 Euro für den Bruttoumsatz gilt. Beim Regelsteuersatz 19 Prozent darf der Nettoumsatz im Vorjahr maximal 18.487,39 Euro betragen haben, da sich beim Hinzurechnen der Umsatzsteuer knapp 22.000 Euro ergeben. Fotografen, Grafiker, Autoren oder andere, deren Leistungen unter den Urheberrechtsschutz fallen, setzen nur 7 Prozent Umsatzsteuer an. Sie können bis zu 20.560,74 Euro netto einnehmen, wenn sie im folgenden Jahr von der Kleinunternehmerregelung profitieren möchten.
Bei einem Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung ist das Jahr der Lieferung oder Leistungserbringung maßgeblich, nicht das Jahr, in dem eine Rechnung erstellt oder bezahlt wird. Wer 2021 zur Kleinunternehmerregelung zurückkehrt, muss für Lieferungen und Leistungen aus dem Jahr 2020, die er 2021 in Rechnung stellt, Umsatzsteuer ausweisen und ans Finanzamt abführen. Auch kann für Anschaffungen im Jahr 2020, die erst 2021 bezahlt werden, die Vorsteuer gezogen werden.
Wenn bei der Anschaffung von Anlagevermögen (z. B. Computer, Maschinen, Büroeinrichtung, Geschäftswagen und anderen langlebigen Wirtschaftsgütern) die Vorsteuer geltend gemacht wurde, muss der Vorsteuerabzug mit dem Wechsel zur Kleinunternehmerregelung korrigiert werden (§ 15a Abs. 1 und 7 UStG). Dies gilt allerdings nur, wenn der Vorsteueranteil der Erwerbung mehr als 1000 Euro beträgt (§ 44 Abs. 1 UStDV).
Korrekte Rechnungstellung bei Kleinunternehmerregelung
Auch für Kleinunternehmer gelten die Vorgaben von § 14 Abs. 4 UStG für die Erstellung einer Rechnung. Es müssen Name und Anschrift des Unternehmers wie des Leistungsempfänger vorhanden sein, außerdem ein Rechnungsdatum und eine eindeutige Rechnungsnummer. Auch die Steuernummer ist erforderlich, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Alternative kommt hingegen nicht in Frage. Art, Umfang und Zeitpunkt/-raum der Leistung oder Lieferung sind ebenfalls Pflichtbestandteile der Rechnung. Üblicherweise muss das in Rechnung gestellte Entgelt nach Steuersätzen und Steuerbefreiungen aufgeschlüsselt werden und der auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag genannt werden.
Da der Kleinunternehmer aber keine Umsatzsteuer ausweist, muss er zumindest einen Hinweis auf den Grund dafür geben, beispielsweise mit einer der folgenden Formulierungen: "Gemäß § 19 UStG wird keine Umsatzsteuer berechnet."; "Keine Berechnung der Umsatzsteuer, da Kleinunternehmer nach § 19 UStG". Diese Angabe ist eine Pflichtangabe, aber sie ist auch sinnvoll im Geschäftsverkehr. Denn wenn der Hinweis fehlt, könnte der Firmenkunde davon ausgehen, dass die Umsatzsteuer nur versehentlich nicht ausgewiesen wurde. Er könnte die Vorsteuer ziehen, was später zwar rückgängig gemacht werden kann, aber mit Aufwand verbunden ist. Oder es kommt zu einer Verzögerung der Zahlung, weil der Kunde eine Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer verlangt.
Häufige Fehler bei der Kleinunternehmerregelung:
- Trotz Kleinunternehmerregelung Umsatz-/Mehrwertsteuer auf der Rechnung ausweisen: Wer versehentlich eine falsche Musterrechnung als Vorlage verwendet und in der eigenen Rechnung die Umsatz-/Mehrwertsteuer ausweist, muss den genannten Betrag beim Finanzamt abführen (§ 14c Abs. 2 UStG). Wenn man sich eigentlich für die Kleinunternehmerregelung entschieden hat, ist dies ärgerlich, denn man darf trotzdem nicht die Vorsteuer bei eigenen Ausgaben abziehen. Mit anderen Worten: Man bleibt beim gewerblichen Einkauf auf der Umsatzsteuer sitzen.
- Nicht auf den Wechsel zur Regelbesteuerung achten: Wenn die Umsatzgrenze im Vorjahr überschritten wurde, erfolgt die Umstellung auf die Regelbesteuerung (§ 1 UStG) automatisch. Das Finanzamt schickt dazu keine Mitteilung oder Benachrichtigung. Zu Beginn eines neuen Jahres sollte man also wissen, wie groß der Umsatz im abgelaufenen Jahr gewesen ist. Lag er über 22.000 Euro, ist im neuen Jahr die Umsatzsteuer in den Rechnungen auszuweisen und sind auch die Umsatzsteuervoranmeldungen durchzuführen. Anderenfalls kann es sein, dass das Finanzamt Umsatzsteuer fordert, die der Unternehmer gar nicht bei seinen Kunden erhoben hat. Es besteht zwar die Möglichkeit, Rechnungen nachträglich zu korrigieren, was aber für Unternehmer wie Kunden unerfreulich ist und Arbeit macht.
- Die Regelung für mehrere Unternehmen in Anspruch nehmen: Die Kleinunternehmerregelung stellt auf die Person des Unternehmers ab. Dementsprechend werden die Umsätze mehrerer unternehmerischer Tätigkeiten einer Person zusammengezählt, wenn es um die Frage nach der Umsatzgrenze geht. Eine Ausnahme ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die ein Unternehmer mit mindestens einem Partner führt. Hier zählt die GbR als entscheidende Einheit für eine Umsatzgrenze. So kann ein Unternehmer an mehreren GbR beteiligt sein, die alle die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Allerdings sollte man dies mit dem Steuerberater besprechen. Denn nach § 42 Abgabenordnung dürfen Unternehmer eine Rechtsform nicht missbräuchlich verwenden, um Steuern zu sparen.
letzte Änderung S.P.
am 20.09.2023
Autor(en):
Stefan Parsch
Bild:
panthermedia.net / Rawpixel
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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