Der
Bilanzgewinn einer Kapitalgesellschaft sollte nicht mit dem
Jahresüberschuss verwechselt werden. Denn der
Bilanzgewinn eines Unternehmens kann auch bei einem Jahresfehlbetrag einen positiven Wert haben. Umgekehrt kann es sein, dass ein Bilanzverlust ausgewiesen werden muss, obwohl ein Jahresüberschuss vorliegt. Wie dies zustande kommt und wie der Bilanzgewinn berechnet wird, erklärt dieser Artikel.
Gesetzliche Regelungen zum Bilanzgewinn
"Bilanzgewinn" ist ein
Begriff, der sowohl im
Handelsgesetzbuch (HGB) als auch in den Gesetzen zu Kapitalgesellschaften (Aktiengesetz – AktG; GmbH-Gesetz – GmbHG) vorkommt. In der Gliederung der Bilanz nach § 266 HGB taucht er zwar nicht auf, aber in § 268 Abs. 1 HGB, in dem es um die Möglichkeit geht, eine Bilanz auch nach der partiellen (teilweisen) oder vollständigen
Gewinnverwendung aufzustellen.
Demnach ist ein vorhandener
Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem vorherigen
Wirtschaftsjahr in den Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust" einzubeziehen und in der Bilanz gesondert anzugeben. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GmbHG haben die Gesellschafter Anspruch auf den Bilanzgewinn, wenn die Bilanz nach der teilweisen Gewinnverwendung aufgestellt wird oder wenn
Rücklagen aufgelöst werden.
Auch das
Aktiengesetz gesteht den Aktionären nach § 58 Abs. 4 AktG grundsätzlich den Bilanzgewinn zu. Einschränkungen dieses Anspruchs ergeben sich aus dem Gesetz oder der Unternehmenssatzung, aus einem
Hauptversammlungsbeschluss zum Bilanzgewinn oder für den Fall eines zusätzlichen Aufwands aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses (ebd.). Man kann auch sagen: "Bilanzgewinn" ist der Betrag, der höchstens als Dividende an die Anteilseigner ausgezahlt werden kann.
Berechnung des Bilanzgewinns aus dem Jahresüberschuss oder -fehlbetrag
§ 158 AktG gibt an, wie der Bilanzgewinn (oder Bilanzverlust) aus dem Jahresüberschuss (oder - fehlbetrag) zu ermitteln ist:
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Jahresüberschuss/-fehlbetrag
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+
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Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
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–
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Verlustvortrag aus dem Vorjahr
|
+
|
Entnahmen aus Kapitalrücklagen
|
+
|
Entnahmen aus Gewinnrücklagen
|
–
|
Einstellungen in Gewinnrücklagen
|
|
Bilanzgewinn/-verlust
|
Dabei sind die
Entnahmen aus und Einstellungen in Gewinnrücklagen jeweils weiter zu
untergliedern:
- gesetzliche Rücklage
- Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen
- satzungsmäßige Rücklagen
- andere Gewinnrücklagen
Der
Gewinnvortrag oder
-verlust ergibt sich als Übertrag aus dem vorherigen Jahresabschluss. Im Hinblick auf die Kapitalrücklagen sind nur Entnahmen möglich, da dieses Kapital nicht aus dem Gewinn des Unternehmens, sondern aus bestimmten Zahlungen der Anteilseigner entsteht. Nach § 272
Abs. 2 HGB gehören zu den
Kapitalrücklagen:
Zahlungen der Anteilserwerber über den Nennwert oder rechnerischen Wert von Anteilen hinaus, Zahlungen für Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen, Zuzahlungen für Vorzugsaktien sowie andere Zuzahlungen der Gesellschafter. Die Kapitalrücklagen dürfen bei Aktiengesellschaften (AG) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) nicht in jedem Fall für die Steigerung des Bilanzgewinns verwendet werden.
Das hat mit ihrer Rolle im Hinblick auf die
gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 1 und 2 AktG) zu tun: Die gesetzliche Rücklage hat mindestens 10 % des Grundkapitals zu betragen, satzungsgemäß kann es auch mehr sein. Solange dies nicht der Fall ist, sind 5 % des Jahresüberschusses, abzüglich eines eventuellen Verlustvortrags, in die gesetzliche Rücklage einzustellen (§ 150 Abs. 2 AktG).
Für die
Verwendung der Kapitalrücklagen wirkt sich der Status der gesetzlichen Rücklage folgendermaßen aus:
Wenn die Kapitalrücklagen und die gesetzliche Rücklage zusammengenommen nicht die gesetzlich geforderten 10 % des Grundkapitals oder einen höheren Betrag entsprechend der Satzung erreichen, dann dürfen die Kapitalrücklagen nur verwendet werden, wenn ein Jahresfehlbetrag nicht durch einen Gewinnvortrag und Entnahmen aus Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann (§ 150 Abs. 3 Nr. 1 AktG).
Dasselbe gilt, wenn ein
Verlustvortrag nicht durch einen Jahresüberschuss und Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann (§ 150 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Mit anderen Worten: Solange die gesetzliche Rücklage nicht die gesetzliche oder satzungsmäßige Mindesthöhe erreicht hat, sind die Kapitalrücklagen die
letzte Reserve, die zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags oder Verlustvortrags angegangen werden darf.
Doch selbst wenn die Bedingungen zur gesetzlichen Rücklage erfüllt sind, bleibt das Aktiengesetz restriktiv: Der Ausgleich eines Jahresfehlbetrags ist erst dann möglich, wenn zuerst ein
Gewinnvortrag herangezogen worden ist; dasselbe gilt für einen Verlustvortrag, der zuerst vom Jahresüberschuss gedeckt werden muss (§ 150 Abs. 4 Nr. 1 und 2 AktG). Und in beiden Fällen ist der Rückgriff auf die
Kapitalanlagen nicht erlaubt, wenn gleichzeitig Gewinnrücklagen zur Gewinnausschüttung aufgelöst werden (§ 150 Abs. 4 Nr. 3 AktG).
Das setzt der Bilanzbeschönigung im Zuge der Ermittlung des Bilanzgewinns gewisse
Grenzen. Denn die Unternehmensleitung könnte versucht sein, eine ordentliche Dividende an die Aktionäre auszuschütten, auch wenn der Jahresüberschuss nicht berauschend war, einfach, um die Anteilseigner bei der Stange zu halten.
Berechnungsbeispiele
Beispiel 1: Bei der Bel AG ist das Jahr gut gelaufen, was sich in einem Jahresüberschuss von 14,5 Millionen Euro widerspiegelt. Doch der Markt ist umkämpft und die Topmanager haben die Befürchtung, dass Aktionäre zur Konkurrenz abwandern könnten. Deshalb möchten sie mehr
Dividende an die Aktionäre ausschütten, als es der Jahresüberschuss eigentlich hergibt. Das ist insofern problemlos möglich, als die gesetzliche Rücklage bei Weitem erfüllt ist und genügend Gewinnrücklagen vorhanden sind. Außerdem gibt es einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr. Die Manager rechnen wie folgt:
Jahresüberschuss
|
14.500.000 €
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Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
|
+ 1.500.000 €
|
Verlustvortrag aus dem Vorjahr
|
– 0 €
|
Entnahmen aus Kapitalrücklagen
|
+ 1.000.000 €
|
Entnahmen aus Gewinnrücklagen
|
+ 3.000.000 €
|
Einstellungen in Gewinnrücklagen
|
– 0 €
|
Bilanzgewinn
|
20.000.000 €
|
Die Leitung der Bel AG hat also aus einem Jahresüberschuss von 14,5 Millionen Euro einen Bilanzgewinn von 20 Millionen Euro gemacht, um den Aktionären eine höhere Dividende auszahlen zu können.
Beispiel 2: Die Mitt AG hat mit 9 Millionen Euro ebenfalls einen Jahresüberschuss erwirtschaftet. Allerdings ist das Branchenumfeld relativ ruhig. In den kommenden Jahren werden jedoch
Investitionen nötig sein, deshalb möchte die Unternehmensleitung lieber vorsorgen als eine hohe Dividende auszuschütten. Bei der Mitt AG rechnet man deshalb so:
Jahresüberschuss
|
9.000.000 €
|
Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
|
+ 0 €
|
Verlustvortrag aus dem Vorjahr
|
– 0 €
|
Entnahmen aus Kapitalrücklagen
|
+ 0 €
|
Entnahmen aus Gewinnrücklagen
|
+ 0 €
|
Einstellungen in Gewinnrücklagen
|
– 3.000.000 €
|
Bilanzgewinn
|
6.000.000 €
|
Beispiel 3: Bei der Modeg AG lief es weniger gut: Nach der Aufstellung der
Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich ein Jahresfehlbetrag von 1,5 Millionen Euro. Auch der Gewinnvortrag in Höhe von 500.000 € kann den Fehlbetrag nicht ausgleichen. Die Chefetage möchte den Aktionären aber wenigstens eine kleine Dividende zukommen lassen. Die Kapitalrücklagen sind wegen § 150 Abs. 4 Nr. 3 AktG tabu, aber da es in den vergangenen Jahren besser lief, sind noch einige Gewinnrücklagen vorhanden. Deshalb rechnen die Manager:
Jahresfehlbetrag
|
– 1.500.000 €
|
Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
|
+ 500.000 €
|
Verlustvortrag aus dem Vorjahr
|
– 0 €
|
Entnahmen aus Kapitalrücklagen
|
+ 0 €
|
Entnahmen aus Gewinnrücklagen
|
+ 2.000.000 €
|
Einstellungen in Gewinnrücklagen
|
– 0 €
|
Bilanzgewinn
|
1.000.000 €
|
Diese Rechnung ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Unternehmen aus einem
operativen Verlust einen Bilanzgewinn machen kann. Wer die aktuelle
Wirtschaftslage eines Unternehmens beurteilen möchte, sollte also eher auf den Jahresüberschuss/-fehlbetrag schauen als auf den Bilanzgewinn.
Beispiel 4: Die Gleitt AG hat es geschafft, in einem schwierigen Umfeld auf einen Jahresüberschuss von einer Million Euro zu kommen. Dennoch reicht es bei ihr am Ende nicht zu einem Bilanzgewinn. Denn der Verlustvortrag aus dem Vorjahr in Höhe zwei Millionen Euro kann durch die vorhandenen Kapitalrücklagen (500.000 €) nicht ausgeglichen werden. Am Ende bleibt trotz des Jahresüberschusses ein
Bilanzverlust von 500.000 € bestehen.
Jahresüberschuss
|
1.000.000 €
|
Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
|
+ 0 €
|
Verlustvortrag aus dem Vorjahr
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– 2.000.000 €
|
Entnahmen aus Kapitalrücklagen
|
+ 500.000 €
|
Entnahmen aus Gewinnrücklagen
|
+ 0 €
|
Einstellungen in Gewinnrücklagen
|
– 0 €
|
Bilanzverlust
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– 500.000 €
|
Die Beispiele zeigen deutlich die Unterschiede zwischen dem Jahresüberschuss/-fehlbetrag und dem Bilanzgewinn/-verlust. In der
Gewinn-/Ergebnisverwendungsrechnung ist der Bilanzgewinn das Ergebnis nach teilweiser
Gewinn- /Ergebnisverwendung. Möglichkeiten der Verwendung des Bilanzgewinns zeigt der folgende Abschnitt auf.
Verwendung des Bilanzgewinns
Über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheidet die Hauptversammlung (§ 174 Abs. 1 AktG) oder die Gesellschafterversammlung (§ 29 Abs. 2 GmbHG). Bei AG und KGaA ist es ein übliches Vorgehen, den Aktionären einen
runden Dividendenbetrag zukommen zu lassen und den Rest des Bilanzgewinns als Gewinnvortrag fürs folgende Jahr zu verbuchen. Die Hauptversammlung kann jedoch auch beschließen, einen Betrag in die Gewinnrücklagen einzustellen (§ 58 Abs. 3 Satz 1 AktG), selbst wenn im Zuge der Ermittlung des Bilanzgewinns bereits eine solche Einstellung erfolgt ist.
Wenn in der Satzung andere
Verwendungsmöglichkeiten vorgesehen sind, kann die Hauptversammlung auch eine entsprechende Verwendung beschließen (§ 58 Abs. 3 Satz 2 AktG). Über einen Bilanzverlust braucht die Hauptversammlung nicht zu entscheiden, denn dieser führt zu einer
Ausschüttungssperre. Der Bilanzverlust wird dann in voller Höhe als Verlustvortrag für das nächste Geschäftsjahr verbucht.
letzte Änderung S.P.
am 02.02.2024
Autor(en):
Stefan Parsch
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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