
Wegen uneinheitlicher Regelungen zur Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer in der EU und aufgrund von Steuerbetrug entgehen den EU-Staaten jährlich Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Bis Ende 2022 möchte die EU-Kommission deshalb ein einheitliches Mehrwertsteuersystem in der EU realisieren. Die Grundlage für dieses System soll das Bestimmungslandprinzip bilden, nach dem eine Warenlieferung innerhalb der EU im Mitgliedsstaat des Warenempfängers (Käufers) versteuert wird; für den Lieferanten (Anbieter) ist die Lieferung steuerfrei. Dieses Prinzip gilt weitgehend heute schon.
Änderungen im deutschen Umsatzsteuerrecht
Im Vorgriff auf diese Reform hat die Bundesregierung im Jahressteuergesetz 2019 mehrere EU-Vorgaben im Umsatzsteuerrecht umgesetzt. Die gesetzlichen Neuregelungen werden als „Quick Fixes“ bezeichnet, weil sie Probleme in der Praxis des innergemeinschaftlichen Handels schnell lösen (englisch: to fix) sollen. Die gesetzlichen Neuregelungen, die sowohl Verschärfungen als auch Vereinfachungen enthalten, sind seit 01.01.2020 in Kraft.
Im Einzelnen gelten neue Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 und § 6a UStG), neue Regelungen zum Nachweis von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 17a UStDV) und neue Regelungen zu Reihengeschäften (neuer Absatz 6a in § 3 UStG). Außerdem wird die Regelung zu Konsignationslagern vereinfacht (§ 6b UStG); in solchen Lagern in der Nähe des Empfängers/Kunden bleibt die gelieferte Ware im Besitz des Lieferanten, bis der Kunde sie dort nach seinem Bedarf entnimmt.
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Strengere Voraussetzungen für steuerfreie Lieferungen innerhalb der EU
Grundsätzlich wird für Lieferungen im Rahmen eines Warenverkaufs die Umsatzsteuer fällig. Um bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, kann sich der Lieferant (Absender) von der Steuerzahlung für die Lieferung befreien lassen. Die Voraussetzungen dafür sind mit den Änderungen im Umsatzsteuergesetz verschärft worden.
So war die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID-Nummer) des Warenempfängers bisher nur eine formale Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer Lieferung. Nun ist die USt-ID-Nummer materiell-rechtlich entscheidend für die Gewährung der Steuerfreiheit. Diese Nummer muss beim Beginn der Lieferung, also beim Absenden, gültig sein (§ 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG).
Wer Waren an ein Unternehmen oder eine juristische Person in einem anderen EU-Staat liefert, sollte sich demnach vorab versichern, dass sein Handelspartner über eine gültige USt-ID-Nummer (und zwar in einem anderen Staat als dem des Absenders) verfügt. Dies ist möglich mit einer qualifizierten Bestätigungsabfrage der USt-ID-Nummer des Kunden beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Im Gesetz heißt es außerdem, dass der Kunde die Nummer „verwenden“, also aktiv bei der Bestellung angeben muss.
Auch die Regelung für die Zusammenfassende Meldung an das BZSt ist strenger geworden: Nach § 4 Nr. 1b UStG ist die Steuerfreiheit nicht gegeben, wenn die Zusammenfassende Meldung nach § 18a UStG nicht korrekt oder nicht vollständig abgegeben wurde. Entdeckt der Lieferant selbst Fehler in seiner Zusammenfassenden Meldung, so ist er nach § 18a Abs. 10 UStG verpflichtet, die ursprüngliche Zusammenfassende Meldung innerhalb eines Monats zu berichtigen. Eine Lieferung wird für den Lieferanten steuerpflichtig, sobald die Finanzverwaltung einen Verstoß gegen die Meldepflicht feststellt.
Nachweise zur Lieferung innerhalb der EU
Art. 45a MwStVO regelt EU-weit einheitlich die Nachweise dafür, dass Waren von einem EU-Mitgliedsstaat in einen anderen befördert oder versendet worden sind. Liegen diese Nachweise vor, haben die Finanzbehörden davon auszugehen, dass eine entsprechende Lieferung erfolgt ist. Sie können diese Vermutung jedoch widerlegen; dann muss der Steuerpflichtige auf anderem Wege nachweisen, dass seine Lieferung den Vorgaben zur Steuerfreiheit entspricht.
Für deutsche Unternehmen bedeuten die verlangten Nachweise eine Verschärfung. Denn es werden nun zwei voneinander unabhängige Nachweise der Beförderung oder des Versands verlangt, die sich nicht widersprechen dürfen. Zudem müssen die Aussteller der Nachweise vom Lieferanten wie vom Empfänger unabhängig sein. Nach Art. 45a Abs. 3 MwStVO werden als Nachweise akzeptiert: „Unterlagen zum Versand oder zur Beförderung der Gegenstände wie beispielsweise ein unterzeichneter CMR-Frachtbrief, ein Konnossement, eine Luftfracht-Rechnung oder eine Rechnung des Beförderers der Gegenstände …“
Alternativ besteht die Möglichkeit, nur einen der oben genannten Nachweise, zugleich aber einen anderen Nachweis vorzulegen, etwa eine Versicherungspolice für den Versand, Bankunterlagen zu dessen Bezahlung, offizielle, beispielsweise von einem Notar ausgestellte Unterlagen über die Ankunft der Lieferung oder eine Quittung eines Lagerbetreibers im Bestimmungsland. Auch hier müssen die Aussteller von Lieferant und Empfänger sowie den Ausstellern anderer Nachweise unabhängig sein.
Holt der Kunde oder Erwerber selbst oder ein von ihm Beauftragter die Ware ab, benötigt der Anbieter (der nun kein Lieferant ist) zusätzlich zu den genannten Nachweisen eine schriftliche Erklärung des Erwerbers. Diese muss nach Art. 45a Abs. 1b MwStVO enthalten: „das Ausstellungsdatum; Name und Anschrift des Erwerbers; Menge und Art der Gegenstände; Ankunftsdatum und -ort der Gegenstände; bei Lieferung von Fahrzeugen die Identifikationsnummer des Fahrzeugs; die Identifikation der Person, die die Gegenstände auf Rechnung des Erwerbers entgegennimmt“.
Im deutschen Umsatzsteuergesetz ist die Neuregelung in § 17a UStDV niedergelegt. Die bisherigen Nachweise, dass Waren in das Empfängerland gelangt sind (Gelangensnachweise), gelten weiter und sind nun in § 17b UStDV zu finden. Die dortigen Regelungen können angewendet werden, wenn keine widerlegbare Vermutung über den Versand der Ware nach § 17a Abs. 1 UStDV besteht.
Neue Regelungen bei Reihengeschäften
Ein Reihengeschäft liegt beispielsweise bei verschiedenen Handelsstufen vor, etwa, wenn Kunde D eine Ware im Einzelhandelsgeschäft von C bestellt, C die Bestellung an den Großhändler A weiterreicht und die Ware von ihm direkt an den Kunden D liefern lässt. Die Lieferung kann auch durch C oder durch einen weiteren Zwischenhändler B erfolgen. Juristisch gesehen, gibt es zwischen den Händlern auch dann Lieferungen, wenn keine Ware bewegt wird. In der Vergangenheit war nicht immer klar, welche dieser Lieferungen steuerfrei ist, wenn der Kunde D in einem anderen EU-Staat sitzt.
Art. 36a Abs. 1 MwStSystRL regelt nun, dass bei einer Lieferkette von einem EU-Staat in einen anderen die (steuerrelevante) Beförderung oder Versendung eines Gegenstands der Lieferung an den Zwischenhändler zugeordnet wird. Davon wird jedoch abgewichen (Art. 36a Abs. 2 MwStSystRL), wenn der Zwischenhändler durch eine USt-ID-Nummer nachweist, dass er selbst nur Lieferant und nicht Empfänger ist. Die USt-ID-Nummer muss von dem Staat, aus dem der Gegenstand versendet wird, vergeben worden sein.
Ins deutsche Steuerrecht hat der Gesetzgeber diese EU-Regelung durch § 3 Abs. 6a UStG überführt. Dort ist außerdem Folgendes geregelt: Wird der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer in der Reihe (im obigen Beispiel Großhändler A) befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen.
Vereinfachte Regelungen für Konsignationslager
Konsignationslager sind in der Automobilbranche, aber auch in anderen Wirtschaftsbereichen üblich. Bisher war eine Beförderung oder Versendung von Waren in ein solches Lager von einem EU-Staat in einen anderen aufwendig; unter anderem musste sich der Lieferant im Staat seines Kunden für umsatzsteuerrechtliche Zwecke registrieren lassen. Nach der Regelung in Art. 17a MwStSystRL und im deutschen Umsatzsteuerrecht in § 6b UStG ist das Transportieren von Waren in ein Konsignationslager vereinheitlicht und vereinfacht worden.
Denn nun ist die Überstellung einer Ware in ein solches Lager einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a UStG gleichgestellt, mit dem Vorteil der Steuerfreiheit unter den oben genannten Bedingungen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die transportierte Ware innerhalb von zwölf Monaten vom Kunden aus dem Konsignationslager entnommen (und damit erworben) wird. Außerdem müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Zu Beginn des Transports muss bereits ein Vertrag mit dem Abnehmer bestehen, dass die Ware zu einem späteren Zeitpunkt an ihn geliefert wird; zudem müssen der vollständige Name und die vollständige Adresse des Abnehmers dem Lieferanten bekannt sein.
- Der Lieferant hat im Zielland weder Firmensitz noch Geschäftsleitung, Betriebsstätte, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt.
- Der Abnehmer verwendet eine gültige USt-ID-Nummer des Bestimmungslandes, die dem Lieferanten am Beginn des Transports vorliegen muss.
- Der Lieferant zeichnet die Beförderung oder Versendung nach den Vorschriften von § 22 Abs. 4f UStG auf und kommt seiner Pflicht zur Aufnahme des Abnehmers in die Zusammenfassende Meldung (§ 18a UStG) nach.
Wenn diese Voraussetzungen nicht alle erfüllt werden, bleibt es bei den früheren Regelungen – mit der umsatzsteuerlichen Registrierung im Bestimmungsland und einem hohen Deklarationsaufwand.
letzte Änderung S.P.
am 15.12.2020
Autor(en):
Stefan Parsch
Bild:
Bildagentur PantherMedia/ Dmitriy Shironosov
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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