Damit Bilanzen verschiedener Firmen miteinander vergleichbar sind, kann nicht jedes Unternehmen seine Bilanz nach eigenen Vorstellungen aufstellen. Stattdessen gibt es
Bilanzierungsgrundsätze, die sich aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ableiten lassen. Allerdings gibt es einen
Interpretationsspielraum, was zu den Bilanzierungsgrundsätzen gehört und was nicht. Dieser Artikel unternimmt eine systematische Ordnung der Grundsätze und Prinzipien, ohne die Gewähr einer Vollständigkeit.
Bilanzierungsgrundsätze nach HGB und GoB
Nach § 242 Abs. 1 HGB sind alle Kaufleute zur
Aufstellung einer Bilanz verpflichtet. Eine Ausnahme gilt nach § 242 Abs. 4 HGB für Einzelkaufleute nach § 241a HGB. Dort werden Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 800.000 € Umsatzerlöse und jeweils 80.000 € Jahresüberschuss aufweisen, von der
Pflicht zur doppelten Buchführung – und damit auch von der Bilanzierungspflicht – befreit. Über § 141 AO (Abgabenordnung) gilt diese handelsrechtliche Vorschrift auch für das Steuerrecht. Freiberufler unterliegen grundsätzlich nicht der Bilanzierungspflicht, unabhängig von der Höhe ihres Einkommens.
Das Handelsgesetzbuch enthält in §§ 242 ff. HGB
diverse Vorschriften zum Jahresabschluss, der sich nach § 242 Abs. 3 HGB aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zusammensetzt. Dabei verweist der Gesetzgeber gleich zu Beginn auf die
GoB: „Der
Jahresabschluß ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen“ (§ 243 Abs. 1 HGB). Allerdings sind die GoB ein unbestimmter Rechtsbegriff, denn seine Regeln zur Buchführung und Bilanzierung sind nicht gesetzlich festgeschrieben. Die GoB leiten sich aus der Wirtschaftspraxis, der Rechtsprechung sowie aus Empfehlungen von Wissenschaftlern und Wirtschaftsverbänden ab. Insofern ist die Abgrenzung, was zu den GoB gehört, nicht einfach.
Auf diese Gesetzesstelle (§ 243 Abs. 1 HGB) sowie auf § 239 Abs. 2 HGB lässt sich der Grundsatz der Ordnungsmäßigkeit für die Buchhaltung zurückführen. Weiterhin schreibt Absatz 2 vor, dass Buchungen und
Aufzeichnungen grundsätzlich vollständig, richtig und zeitgerecht zu erfolgen haben; zeitgerecht bedeutet hier, dass die Buchungen nicht ohne sachlichen Grund verzögert vorgenommen werden dürfen.
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Die revisionssichere Speicherung von Buchungen und Aufzeichnungen ist in § 239 Abs. 3 HGB und der Grundsatz, dass es zu jeder Buchung einen Beleg geben muss, in § 239 Abs. 4 HGB niedergelegt.
Arten von Bilanzierungsgrundsätzen
Verschiedene Quellen nennen unterschiedliche Bilanzierungsgrundsätze, doch die folgenden sind meistens dabei:
- Bilanzklarheit (zurückzuführen auf § 243 Abs. 2 HGB)
- Bilanzwahrheit (Richtigkeit: § 239 Abs. 2 HGB; Vollständigkeit: § 246 Abs. 1 HGB)
- Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB)
- Bilanzvorsicht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB)
- Bilanzkontinuität (materielle: § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB, formelle: § 265 Abs. 1 Satz 1 HGB)
Im Folgenden werden diese Grundsätze verschiedenen Grundsatzarten zugeordnet, um weitere Grundsätze und Prinzipien ergänzt und erläutert.
Aufstellungsgrundsätze
Diese Grundsätze betreffen das Aufstellen der Bilanz:
- Bilanzklarheit: Der Jahresabschluss muss klar und übersichtlich sein (§ 243 Abs. 2 HGB). Das betrifft nicht nur die Gliederung (siehe Gliederungsgrundsätze), sondern auch die Eindeutigkeit aller Angaben einschließlich der Erläuterungen im Anhang. Speziell auf die Kapitalgesellschaften bezogen, führt das HGB in § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB aus, dass der Jahresabschluss „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ vermitteln muss. Das entspricht im englischen Sprachraum dem „true and fair view“ (siehe letzten Abschnitt).
- GoB-Grundsatz: Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung müssen nach den GoB aufgestellt werden (§ 243 Abs. 1 HGB).
- Zeitnähe: Der Jahresabschluss ist in zeitlicher Nähe zum Stichtag, auf den sich die Angaben darin beziehen, aufzustellen (§ 243 Abs. 3 HGB).
Ansatzgrundsätze
Diese Grundsätze umfassen das Ansetzen von Vermögenswerten und Schulden:
- Bilanzwahrheit: Dieser Grundsatz ist nicht explizit im HGB zu finden, sondern setzt sich aus folgenden Prinzipien zusammen:
- Richtigkeit: Als allgemeiner Grundsatz ist die Richtigkeit nur im Hinblick auf die Buchführung gesetzlich verankert, nämlich in § 239 Abs. 2 HGB. In Bezug auf Kapitalgesellschaften zählen die „tatsächlichen Verhältnisse“ in § 264 Abs. 2 HGB auch zu diesem Grundsatz.
- Vollständigkeit: „Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). Es ist also der vollständige Geschäfts- oder Firmenwert anzugeben.
- Willkürfreiheit: Wenn Wahlmöglichkeiten bestehen oder Schätzungen vorgenommen werden müssen, so dürfen keine willkürlichen Werte angesetzt werden. Alle Angaben müssen sachlich begründet werden können. Dieses Prinzip ist keinem Gesetz zu entnehmen, sondern ist vor allem durch die Rechtsprechung geprägt worden.
- Verrechnungsverbot: Verluste dürfen nicht mit Gewinnen verrechnet werden und Kosten nicht mit Erträgen (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB), denn das könnte die Kostenstrukturen des Unternehmens verschleiern. Weil wegen des Verrechnungsverbots alle Geschäftsvorfälle ihren Niederschlag in der Bilanz finden müssen, ergänzt es den Grundsatz der Vollständigkeit.
- Ansatzstetigkeit: Grundsätzlich sollen die Ansatzmethoden einer Bilanz bei der nächsten Bilanz beibehalten werden (§ 246 Abs. 3 Satz 1 HGB). Abweichungen von diesem Grundsatz müssen sachlich begründet werden (§ 246 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 252 Abs. 2 HGB).
- Grundsatz der Periodenabgrenzung: Aufwendungen und Erträge sind in dem Jahr zu bilanzieren, dem sie wirtschaftlich zuzurechnen sind, unabhängig von den konkreten Zahlungen (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Wenn eine Ware geliefert und in Rechnung gestellt worden ist, dann gehört der Posten in die Bilanz, auch wenn der Kunde erst nach dem Bilanzstichtag zahlt.
- Bilanzierungsverbot: Aufwendungen für die Gründung eines Unternehmens, die Beschaffung des Eigenkapitals und den Abschluss von Versicherungsverträgen dürfen ebenso wenig in die Bilanz aufgenommen werden wie selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder Vergleichbares (§ 248 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 HGB). Bei selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens besteht ein Wahlrecht.
- wirtschaftliche Betrachtungsweise: Ein Unternehmen hat Vermögensgegenstände in seine Bilanz aufzunehmen, die ihm wirtschaftlich zuzuordnen sind; ob es auch der Eigentümer des Vermögensgegenstandes ist, ist dabei nachrangig (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Bewertungsgrundsätze
Immer wieder kommt es beim Erstellen einer Bilanz auf die Bewertung von Sachverhalten an, deshalb gibt es eine Reihe von Bewertungsgrundsätzen:
- Bilanzidentität: „Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs müssen mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahrs übereinstimmen“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Zu Beginn des neuen Geschäftsjahres darf also keine Neubewertung stattfinden.
- Bilanzvorsicht oder Vorsichtsprinzip: Es ist grundsätzlich vorsichtig zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), ein Schönrechnen der Verhältnisse soll dadurch vermieden werden. Aus dem Vorsichtsprinzip lassen sich weitere Prinzipien ableiten:
- Imparitätsprinzip: Es gilt eine Ungleichbehandlung (Imparität) von Verlusten und Gewinnen. Risiken und Verluste bis zum Bilanzstichtag sind auch dann zu berücksichtigen, wenn „diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB). Bei Gewinnen gilt hingegen das
- Realisationsprinzip: „Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB).
- Niederstwertprinzip: Für Vermögenswert ist immer der niedrigste Wert anzusetzen, bei Wertminderungen der Wert nach einer Abschreibung. Für Anlagevermögen gilt das gemilderte Niederstwertprinzip, nach dem bei vorübergehender Wertminderung auf eine Abschreibung verzichtet werden kann (§ 253 Abs. 3 Satz 6 HGB). Für das Umlaufvermögens ist jedoch das strenge Niederstwertprinzip anzuwenden (§ 253 Abs. 4 Satz 1 HGB).
- Höchstwertprinzip: Umgekehrt muss bei Verbindlichkeiten und Rückstellungen der höchste zuschreibbare Wert genommen werden (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).
- Grundsatz der Einzelbewertung: Vermögensgegenstände und Schulden sind einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), nur bei vielen gleichartigen und gleichwertigen Gegenständen kann davon abgewichen werden (§ 40 Abs. 4 HGB).
- Stichtagsprinzip: Die Bewertung muss auf einen Stichtag bezogen sein (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Dies ist der letzte Tag des Geschäftsjahres, häufig der 31. Dezember.
- Grundsatz der Unternehmensfortführung: Bei der Bewertung soll immer davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen fortgeführt wird, „sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Das ist insofern bedeutsam, als bei der Zerschlagung eines Unternehmens die Vermögenswerte erheblich niedriger angesetzt würden, weil sie schnell veräußert werden müssten.
- Bilanzkontinuität: Dieser Grundsatz kann in die formelle und die materielle Bilanzkontinuität untergliedert werden: Bei der materiellen Bilanzkontinuität sind die angewendeten Bewertungsmethoden von Bilanz zu Bilanz beizubehalten (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Dies wird auch Bewertungsstetigkeit genannt. Die formelle Bilanzkontinuität wird im nächsten Abschnitt behandelt.
Gliederungsgrundsätze
Im Hinblick auf
Gliederungsgrundsätze behandelt das HGB Kapitalgesellschaften und übrige Unternehmen unterschiedlich. Für Letztere gibt es nur eine
Mindestgliederung nach § 247 Abs. 1 HGB, für Kapitalgesellschaften gelten die Grundsätze nach § 265 HGB und die Gliederung nach § 266 HGB. Wichtigster Grundsatz ist die Darstellungsstetigkeit, die der formellen Bilanzkontinuität entspricht (§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB): Die Form der Darstellung, insbesondere die Gliederung, ist von Jahr zu Jahr beizubehalten, damit die Entwicklung eines Unternehmens über die Jahre leicht erfasst werden kann. Abweichungen davon sollen die Ausnahme sein und sind im Anhang zu begründen (§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB).
Zu den weiteren Grundsätzen für Kapitalgesellschaften gehören die
Angabe des Vorjahresbetrags zu jedem Posten (§ 265 Abs. 2 HGB) und ein Vermerk zur Mitzugehörigkeit, wenn ein Vermögensgegenstand oder eine Schuld unter mehrere Posten der Bilanz fällt (§ 265 Abs. 3 HGB).
Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Grundsätze
Bei den Konsequenzen für ein Nichtbefolgen der Bilanzierungsgrundsätze kommt es auf die Größenordnung der Abweichung an. Wenn Beträge falsch ausgewiesen sind, Belege fehlen oder die Bilanz gar von Prüfern als „sachlich unrichtig“ qualifiziert wird, kann das Finanzamt
Steuerschätzungen vornehmen. Solche
Schätzungen fallen meistens zu Ungunsten des Steuerpflichtigen aus. Auch können eventuelle Steuervergünstigungen und Steuerrückzahlungen gestrichen werden.
In schwerwiegenderen Fällen können zudem Strafen verhängt werden. So sind unrichtige Angaben oder Bilanzverschleierung nach § 331 HGB und § 400 AktG (Aktiengesetz) strafbar. Unter Umständen kann es auch zu
Strafverfahren wegen
Untreue, Betrug oder Insolvenzverschleppung kommen.
Bilanzierungsgrundsätze der IFRS
Die International Financial Reporting Standards (IFRS), die in der internationalen Wirtschaftswelt bedeutsam sind, kennen ähnliche Grundsätze wie das HGB:
- true and fair view: Bilanzklarheit, Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (IAS 1.15)
- faithful representation: Der Jahresabschluss soll glaubwürdig, vollständig, neutral und fehlerfrei sein (IAS 1.15).
- going concern: Grundsatz der Unternehmensfortführung (IAS 1.25 ff.)
- accrual accounting: periodengerechte Gewinnermittlung, Rechnungsabgrenzung (IASB 1.17, A22)
- relevance: Angaben sind dann relevant, wenn sie Entscheidungen der Leser der Bilanz beeinflussen können (IAS 1.29 ff.).
- substance over form: wirtschaftliche Betrachtungsweise (SIC-27)
letzte Änderung S.P.
am 21.08.2024
Autor(en):
Stefan Parsch
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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